Verflechtungen, Rhythmen und Abfolgen: Ihre Wortherkunft von lateinisch texere erfasst den gemeinsamen Charakter von Text und Textil als ge- und verwobene Strukturen. Beide unterliegen ähnlichen Gesetzmäßigkeiten, beide sind – bei gekonnter Verwendung – formbar und weich und unterwerfen sich.

In der Kunst wird die Nutzung textiler Materialien vielfach noch immer als Kunsthandwerk oder als „weibliche“ Technik bezeichnet. Die durch unsere Erfahrungen assoziierte Weichheit des Materials wird gerne verknüpft mit einer vermeintlichen weiblichen Weichheit – ein Klischee, das Textilkünstler:innen gestern wie heute Lügen strafen. Das Vorurteil ist in das textile Material hineingeflochten; umso stärker wirken Dissonanzen und Unregelmäßigkeiten.

Wie im Stoff herrschen in der Sprache Gesetzmäßigkeiten, die die Verflechtung von Strukturelementen zu einem gesamtheitlichen semantischen Körper gewährleistet. Und wie der Stoff bietet auch die Sprache immer Raum und Reibungsflächen für Irregularitäten und Brüche.

Künstler:innen machen von den Möglichkeiten von Sprache und Schrift Gebrauch und setzen sie in der zeitgenössischen Kunst in neue Kontexte. Die Bildende Kunst treibt das Spiel mit Sprache und Schrift weiter als die Literatur es vermag. Die Grenzen zwischen zeichenhaftem Bild und Schriftzeichen sind fließend; die Verknüpfung eines Zeichens mit einem Laut ergänzt das Kunstwerk um eine imaginäre und – durch die eigene Konditionierung – unvermeidliche Ebene und ermöglicht neue Deutungshorizonte.

MATERIAL SEMANTICS möchte vor dem Hintergrund der vorurteilsbehafteten Materialität von Text und Textil die gemeinsamen Wesenszüge dieser augenscheinlich so unterschiedlichen Medien untersuchen und dabei feministische Positionen und andere gesellschaftliche Diskurse berücksichtigen.

Künstlerinnen und Künstler der Ausstellung | Antje Flotho + Luise Kerstan + Dani Martí + Tosh Maurer + Jet Nuij + Monika Radhoff-Troll + Rebekka Schulte + Claudia Tomaschewski + Palina Vetter + Quinn Zeljak + Andrea Ziegler

Eröffnung | SO 6 MÄR 2022 | 14 H | Mit einer Einführung von Alexandra Simon-Tönges

Es gelten die aktuellen Coronabestimmungen. Bitte halten Sie die entsprechenden Nachweise bei Besuch von Ausstellung und Eröffnung bereit.

Co-Kuratorin: Monika Radhoff-Troll

Abbildung Einleitung © Andrea Ziegler;  Abbildung Beitrag © Quinn Zeljak